Alsleben und die Saaleschifffahrt von Bernhard Gremler
Teil 2: Die Saale als Wasserstraße
Es ist schon erstaunlich, dass ein so eigenwilliger und wenig großer Fluss wie die Saale eine so wichtige Bedeutung als Wasserstraße erlangte. Die Mulde z.B. als ähnlich gelagerter Nebenfluss der EIbe blieb als Schifffahrtsgewässer ohne jede Bedeutung. Ein Hauptgrund scheint dafür bestimmend gewesen zu sein: - Die Salzgewinnung zu Halle brauchte und suchte von frühester Zeit an den von Natur aus vorgegebenen Wasserweg für den Absatz der Erzeugnisse und den Herantransport von Rohstoffen, vor allem von Holz.
Es waren also vorrangig wirtschaftliche Zwänge, welche zur Erschließung der Saale als Wasserweg führten. Hinzu kamen zwei sehr wichtige, geopolitische Tatsachen:
- Zum Ende der Völkerwanderung bildete u.a. die Saale nach dem Vorstoß der Slawen gen Westen die Grenze zu den Germanen. Der Fluss lag damit jahrhundertelang im Blickfeld der geschichtlichen Entwicklung, erst der politischen, dann auch der Wirtschaftlichen.
- Das Erzbistum Magdeburg, das auch weltlicher Herrscher war, strebte stets nach einem nutzbaren Wasserweg zwischen seinen Metropolen Magdeburg und Halle.
Dabei war es recht schwierig, gerade diesen Fluss, den die alten Völker, Germanen wie Slawen (vielleicht auch schon die Kelten) "Sal-aha" oder "Sal-awa" nannten, einer durchgängigen Schifffahrt nutzbar machen. Denn folgt man den Überlieferungen aus früherer Zeit, so war "Salawa", das "Salzwasser" oder der "Salzfluss", ein launisches Gewässer. Es floss breit und mit ruhiger Flut dahin. Die Wassertiefe war im Durchschnitt gering. Mitgeführte Schwebestoffe verursachten stets eine leichte Trübung des Wassers. Doch dieses idyllische Bild war trügerisch. Der Saalestrom konnte gewaltige Arbeit leisten. Er pendelte zwischen den Talrandhöhen hin und her, zog weite Schlingen und Schleifen, nagte sich an den Prallhängen immer tiefer in das Land ein, bildete Neben- und Seitenläufe, ließ Inseln, Halbinseln, Anschwemmungen (Werder) und morastige Auen (Wieschen) entstehen. In den Fluss gestürzte Bäume blieben liegen, führten zur Ansammlung von Geröll, verursachten Staubereiche, bildeten Stromschnellen. Wenn bei einem Hochwasser der schmale Landshorn einer Halbinsel durchtrennt wurde, so zog der Fluss durch diese neue Bahn dahin. Zurück blieben die so genannten "Altwasser" oder "Toten Arme". Sie kennzeichneten noch über lange Zeiten hinweg den einstigen Lauf des Flusses.
-
Die einstige große Saaleschleife bei Alsleben, ihrer Form wegen "Lyra" genannt.
Von gro ßer Gewalt und all zeit gefürchtet von den Menschen am Fluss waren die Hochwasser der Saale. Wenn im Frühjahr in den Bergen die Schneeschmelze einsetzte, wenn mächtige Sommerregen ihre Wassermassen zu Tale wälzten,.
Dann schwoll die Saale ohne das Rückhaltevermögen heutiger Stauanlagen zu einem reißenden Strom an. Waren die Frühjahrshochwasser noch mit Eisgang verbunden, dann wehe dem Hindernis, das diesen Urgewalten im Wege stand. Die Saalebrücken in der fürstlichen Residenz Bernburg wurden mehrfach von den Hochwasserfluten hinweg gerissen.
Das gewaltige Hochwasser des Jahres 1799 stand im kilometerweit vom Flussbett entfernten reißen bis zu 2 Metern hoch und führte zum Einsturz eines Hauses. Hiervon zeugt heute noch eine Gedenktafel in Unterpeißen.
(Bild) - Gedenktafel in Unterpeißen an das Saalehochwasser von 1799 (Bild folgt später)
Doch auch die gegenteiligen Erscheinungen sind überliefert. Es gab Jahre mit solcher Trockenheit, dass die Saale zusammenschrumpfte zu einem flachen Gerinne, das man an vielen Stellen zu Fuß durchwaten konnte.
Einen solch unberechenbaren Fluss zu befahren, ihn als Transportweg zu nutzen, war in alten Zeiten ein schwieriges Unterfangen. So fuhr man zunächst nur auf den Fluss hinaus, um zu fischen, um auf die andere Seite zu gelangen. Fischerei und Fährverkehr zeigen sich so als Anfänge der Saalenutzung als Wasserweg.
Hinzu kam die Flößerei, einst ein blühendes Gewerbe, die aber nahezu ausschließlich von den Anliegern des Oberlaufes der Saale betrieben werden konnte.
Trotz aller Hindernisse lockte der Fluss immer wieder die Menschen an. So soll es schon zur Bronzezeit (um 400 v. u.Z.) auf der Saale zur Verschiffung von Salz gekommen sein. Im Jahre 1906 wurde bei Wasserbauarbeiten im Auslaufgerinne der Stadtmühle von Alsleben ein Einbaum gefunden. Diese Entdeckung scheint nahezu symbolischen Charakter für Alslebens Pionierrolle bei der Entwicklung der Saaleschifffahrt zu besitzen.
Der Fund beweist, dass schon in der Vorzeit die Saale von Menschen befahren wurde. Dieses uralte Wasserfahrzeug ist seit langem im Museum des Schlosses zu Bernburg ausgestellt.
Als im Verlaufe der großen Völkerbewegungen etwa ab 600 u.Z. slawische Stämme nach Westen vor stießen, wurde die Saale für Jahrhunderte zum Grenzfluss. Den Germanen und Slawen mochte die Naturbarriere dieses Wasserlaufes als Grenzmarkierung eine zeit lang willkommen sein. Aber als Franken und Sachsen immer mehr Land östlich der Saale gewannen, verlor der Fluss den Charakter einer Grenzlinie. Allmählich stieg seine Bedeutung als Verkehrsweg, als Wasserstraße.
Noch eine andere, sehr bedeutungsvolle Nutzung des Flusses trat vom Mittelalter an in den Vordergrund: der Antrieb von Wassermühlen. Der technische Entwicklungsstand des Mühlenwesens ließ es längst zu, die Wasserkraft von Flüssen zum Betrieb von Korn,-ÖI- und Schneidemühlen zu nutzen. Aber vermutlich erst im 12. Jahrhundert war man an der Saale soweit, die" wilden" Staustufen des Flusses zielgerichtet zu Wehren, zu Mühlendämmen um zugestalten und auszubauen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1212 zeigt auf, daß in eben diesem Jahr an dem Alslebener Saaledamm auf der Mukrenaer Seite eine neue Mühle errichtet wurde. Die Mukrenaer Mühle, man nannte sie bald "Pregelmühle", lag am gleichen Wehr wie die "alte Mühle" auf der Alslebener. Flussseite. Diese Aussage belegt, daß die Alslebener Mühle (sie hieß später "Stadtmühle) noch vor 1212 entstand und damit zu älteren an der Saale gerechnet werden kann.
Die Pregelmühle in Alsleben
So zeigen sich Flussbau und Wehrbau als technische Maßnahmen, die gemeinsam dazu beitrugen, die Saale über die Zeitläufe hinweg zu einem wirtschaftlich nutzbaren Wasserweg auszubauen.
Spärlich nur sind die Nachrichten über die Nutzung der Saale als Transportweg überliefert. Im Jahre 981 wurde der Leichnam des Erzbischofs Adalbert vom gebracht. Erzbischof Tagino wollte im Jahre 1012 mit einem Schiff von Merseburg nach Magdeburg reisen, verstarb aber in Rothenburg. Ein erster zielgerichteter Warentransport ist aus dem Jahre 1121 überliefert. Der Bischof von Bamberg ließ Waren für seine Missionstätigkeit bei den Pommern von Halle per Schiff bis in die Elbemündung bringen. Von dort wurden sie wiederum auf dem Wasserweg bis Havelberg transportiert, um dann über Land bis nach Pommern zu gelangen. Erzbischof Wichmann erteilte 1152 dem Kloster Neuwerk bei Halle das Privileg, Salz von Halle aus auf der Saale zu verschiffen und Holz zurück zu transportieren. Diese sporadischen Aktivitäten zeigen die Schwierigkeiten von längeren Schiffsreisen auf der Saale.
Die erforderlichen Flussregulierungen wurden selten und oft nur auf Teilstrecken durchgeführt. An den Stromschnellen, den Mühlendämmen, den Wehren, fehlten anfangs Bootsgassen und Umgehungskanäle, von Schleusen ganz zu schweigen. Die Waren mussten umgeladen werden. Die Einrichtung eines durchgängigen Schiffsverkehrs war ein Prozess von Jahrhunderten. Kriege und territoriale Zersplitterung führten immer wieder zu Rückschlägen. Sichere politische Verhältnisse, wirtschaftlicher Aufschwung brachten die Flussregulierungen wieder in Gang. Insbesondere die Verbesserung der Schleusen, zunächst in Holz-, später in Steinbau weise als Kammerkonstruktion, bildete eine wichtige Voraussetzung für das Anwachsen des Schiffsverkehrs auf der Saale. Dennoch blieben Blütezeiten früher die Ausnahme.
Wie Alsleben dabei nach und nach in die Vorreiterrolle hineinwuchs, soll im nächsten Beitrag dargelegt werden.