Alsleben und die Saaleschifffahrt von Bernhard Gremler
Teil 3: Zu Fernen Ufern
Der Alslebener Stadtkämmerer Hans Bolding, einer der verdienstvollsten Männer, die das Saalestädtchen je besaß, schrieb in den Jahren 1560 bis 1590 eine Art Tagebuch. Unter dem Titel „Verzeichnis Gedenklichter Geschichte.. ." berichtete er fast 30 Jahre lang über die ihn bewegenden Ereignisse in und um Alsleben. Von ihm erfahren wir über die erste zielgerichtet organisierte Schifffahrtsroute auf der Saale.
Nach der Schleuseninstandsetzung wurde Alsleben 1583 dabei Dreh- und Angelpunkt. Kupfersteine (auch Rohkupfer) aus dem Mansfeldischen, speziell aus Sangerhausen, die bisher auf dem Landweg an den Hof des Kurfürsten nach Dresden transportiert wurden, kamen jetzt nach Alsleben. Hier wurden zwei kleinere Schiffe damit beladen und fuhren die Fracht bis in die Elbe hinein. Nun erfolgte die Umladung auf ein größeres Schiff, das die Ladung elbaufwärts nach Dresden transportierte. Die Saalekähne aber mit Holz und Gerätschaften an Bord kehrten nach Alsleben zurück. Hier wurden sie wieder mit Kupfer beladen und legten die Route erneut zurück. Dies war ein gewaltiger Aufschwung der Saalefrachtschifffahrt, der das Städtchen Alsleben schlagartig in den Mittelpunkt rückte. Wenn dieser hoffnungsvollen Entwicklung auch nur einige Jahre Dauer beschieden war, so wurde hier der Grundstein für Alslebens Dominanz im Weitergang und Ausbau der Saaleschifffahrt gelegt.
Hans Bolding aber kann mit gutem Grund als glänzender Organisator und damit als erster Pionier der Saaleschifffahrt gewürdigt werden. Doch hören wir ihn einmal selbst aus dem Tagebuch in seiner mittelalterlichen Sprache: ,,...es wurden all Zeit 2 kleine Schiff von here geschickt, darin...der kupper und kuppersteine geladen ward. Das große Schiff fuhr dasselbe gen Dresden, aber die kleinen Schiff kamen wieder und waren wieder beladen und fuhren hernach.
. . .wie der churfurste den kupperstein von Sangerhausen hatte gen Dresden fuhren, hatte ein centner kupperstein zu fuhren gekostet ein dicken thaler, auf den Schiffe kostet ein centner 3 1/2g. (Groschen, Anm. Verf.) Wenn dies Werk lange Bestand gehatt, es hatte uns Alsleber viel zugetragen, aber wieder churfurst starb, ward alles aufgehoben".
Dennoch wurde dem Stadtsäckel so viel zugetragen, daß man sich 1585 vor dem aus Fachwerk und Lehm errichteten Rathaus einen steinernen Giebel leisten konnte. Auch der Erb- und Gerichtsherr Heinrich von Krosigk sah von Schloss Alsleben aus mit scheelen Blicken dieser Hoffnungsvollen Entwicklung zu. Er hatte keinen Anteil an diesem Aufschwung. Da er auch finanziell nichts abbekam, richtete sich sein Unmut auf den Organisator Hans Bolding. Er ließ ihn drangsalieren und trieb ihn schließlich für lange Jahre aus der Stadt. Doch dies sei Gegenstand einer Betrachtung an anderer Stelle. Da das Monopol des Kupferhandels bei der Nürnberger Kaufmannschaft Lag, kamen zur Frachtzeit Abgesandte aus der Reichsstadt nach Alsleben. Hans Bolding berichtet dazu:
„...Wann die Einladung geschah, da kamen Nuringberger, als Pauel Pintziger und Wolff Jonas Schmittner, der gleichische' Faktor Arnt Brauner, die selbigen lagen bei mir zur herberge und sahen zu, das die enladung richzig geschahe und , zugunge.. ."
Als dann ab 1800 der nächste große Aufschwung der Saaleschifffahrt ein setzte, war Alsleben wieder mit dem Spitzenplatz dabei. Es erhebt sich die Frage, welche Gründe dafür bestimmend waren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind es sehr alte Traditionen und die beste Kenntnis des Saalelaufes mit all seinen Tücken und Gefährdungen. Der verdienstvolle, aus Plötzkau stammende Heimatforscher Franz Stieler, berichtet mehrfach darüber, dass Boote aus Alsleben auf Grund uralter Privilegien ungehindert den anhaltischen Teil der Saale befahren, und sogar dort fischen durften.
Bild 2, Schifferstadt Alsleben um 1800 (Bild folgt später)
Umgekehrt galt das nicht. Diese Privilegien mögen aus der Zeit der alten Freigrafschaft Alsleben stammen, wurden aber aus gutem Grund von den Alslebenern mit Klauen und Zähnen verteidigt Denn jeder Auftraggeber suchte sich natürlich für seine Fracht die Schiffer aus, die den Wasserweg durchgehend kannten und somit auch beherrschten.
Der große hallesche Chronist von Dreyhaupt beschreibt 1750 in seiner „...Chronik des Saalkreyses.. ." alle Orte an der Saale bis zur anhaltischen Grenze. Nur für Alsleben findet er das Prädikat: „...wo viele Schiffer wohnen.. ."Dabei meint er das Dorf Alsleben. Dass in der Stadt Alsleben nicht weniger gewohnt haben können, zeigt Hans Boldings eingangs erwähnter Bericht über die Kupferfracht als städtisches Unternehmen, Noch ein Beleg zum bestimmenden Einfluss der Alslebener Schifffahrtsorganisation sei angeführt. Als die Kähne flußauf vom Ufer aus gezogen, also getreidelt wurden, gab es an der Saale drei Zugkolonnen.
Sie waren in Rosenburg, Nienburg und Alsleben stationiert. Die Alslebener Treidler zogen die Schiffe von Bernburg aus bis nach Halle und beherrschten damit den längsten und gefahrvollsten Abschnitt des Saalelaufes.
Kommen wir zurück zur Entwicklung am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Erfordernisse eines zunehmenden Warenverkehrs beziehen die Saale als Wasserstraße immer stärker mit ein. Hauptroute der Saaleschifffahrt wird die Streckt Halle- Hamburg.
In den Saaleorten mit Schifffahrtstradition und Schiffsaufkommen wird der Beruf auf dem Wasser zu einem wichtigen Erwerbszweig der Bevölkerung. Immer mehr Menschen finden Lohn und Brot im Schifferberuf. Jetzt tritt der nächste große Organisator der Saalefrachtschifffahrt auf den Plan, Karl Trimpler, aus dem winzigen Fischerort Brucke stammend, kommt nach ' Alsleben und steht in kurzer Zeit als Schifffahrtsdirektor an der Spitze der schifffahrtsbetreibenden Unternehmen. Diese aber sind nicht geeint und schlecht organisiert.
Bild3 Fahne der Schifffahrts- Sozietät zu Alsleben von 1823 (Vorder-und Rückseite)
Mit klarem Blick für die Erfordernisse und großem Organisationsvermögen gründet er 1823 die ,,Schiffahrts-Sozietät zu Alsleben", eine Vereinigung zur Förderung der Saaleschifffahrt und zum Schutz gegen Konkurrenzunternehmen von der Elbe, sowie 1829 die Schifferhilfskasse", eine Art soziale Absicherung für kranke und verunglückte Schiffer. Der Ausbau der Saaleschifffahrt wirkte sich auch belebend auf sesshafte Gewerke aus. Die alten kleinen Flusswerften, Schiffbauereien genannt, wurden erweitert. Neue kamen hinzu. Gewerke, die eher selten waren, wie die Seilerei (für Schiffstaue) und das Segelmachen blühten auf und machten Furore. Spezielle Schiffs- und Ankerschmieden entstanden.
Bild 4: Schiffswerft an der Saale
Die Flussschiffe wurden größer. Die Art des Fortbewegung auf dem Wasser machte revolutionäre Entwicklungen durch. Es war etwas los auf der Saale, und wie das technisch bewältigt wurde, wird im nächsten Beitrag dargelegt.